Große Herausforderungen: Tafeln fordern finanzielle Hilfen vom Bund

29.06.2020

Positionspapier zur Anhörung „Lebensmittelverschwendung stoppen“ im Bundestag

Die bislang fast ausschließlich durch Privatspenden und Sponsorings finanzierten Tafeln stehen vor großen Herausforderungen, die von den Auswirkungen der Corona-Pandemie teils dramatisch verstärkt werden. Wachsende Kundschaft, eine dringend notwendige Umstellung der Lebensmittelspenden-Logistik sowie ein Rückgang oder Ausfall von Ehrenamtlichen erfordern eine Transformation der sozialen und ökologischen Arbeit der Tafeln. Vom Bund fordert Tafel Deutschland in einem heute (29. Juni) veröffentlichten Positionspapier deshalb finanzielle Mittel. 

Während die lokalen Tafeln bereits flächendeckend mit dem örtlichen Lebensmitteleinzelhandel zusammenarbeiten, befindet sich die Kooperation mit der Lebensmittelindustrie noch im Ausbau. Dabei entstehen nur rund vier Prozent der über 12 Mio Tonnen Lebensmittelüberschüsse im Handel, etwa 18 Prozent direkt bei den Herstellern. Obwohl die Tafeln die größten Lebensmittelretter in Deutschland sind, fehlt es an logistischer Infrastruktur, um die großen Mengen an überschüssigen Lebensmittel von Produzenten annehmen, zwischenlagern und weiterverteilen zu können. „Wir wollen unsere bundesweiten Regionallager nach dem Vorbild der Lebensmittelbanken – wie beispielsweise in Frankreich – zu Verteilerzentren ausbauen, die dann die lokalen Tafeln beliefern. Wir tragen damit der Entwicklung Rechnung, dass die Lebensmittelverschwendung im Handel erfreulicherweise rückläufig ist, während bei Produzenten nach wie vor große Überschüsse entstehen“, erklärt Evelin Schulz, Geschäftsführerin der Tafel Deutschland anlässlich der heutigen Öffentlichen Anhörung „Lebensmittelverschwendung stoppen“ des Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft im Bundestag.

Nahezu alle Lebensmittelbanken in Europa werden mit staatlichen Geldern unterstützt, nur die Tafeln in Deutschland nicht. „Vor dem Hintergrund des UN-Nachhaltigkeitsziels 12.3. Lebensmittelverschwendung bis 2030 halbieren, ist es für uns umso unverständlicher, dass Tafeln zwar als wichtiger Partner in der Strategie der Bundesregierung zur Reduktion der Lebensmittelverschwendung genannt werden, eine strukturelle finanzielle Unterstützung des Bundes aber nach wie vor ausbleibt“, sagt Evelin Schulz.

Tafeln als soziale Anlaufstelle

Schulz betont neben der ökologischen Arbeit der Tafeln die soziale Komponente. „Tafeln sind eine der wenigen Orte in Deutschland, an denen sich noch Menschen mit völlig unterschiedlichen Hintergründen treffen und ins Gespräch kommen. Sie sind Anlaufstelle für arme und sozial ausgegrenzte Menschen“, so Schulz. Tafeln leisten damit einen wichtigen Beitrag zu friedlichem Zusammenleben sowie sozialer und kultureller Integration. Sie fördern außerdem Ernährungsbildung und Gesundheitsprävention bei armen Menschen, denn Tafeln verteilen überwiegend gesunde Lebensmittel wie frisches Obst und Gemüse. „Die Arbeit der Tafeln ist komplexer und zeitintensiver geworden. Um unsere Freiwilligen nicht zu überlasten, sondern zu stärken, brauchen wir als Ehrenamtsbewegung deshalb auch das Hauptamt“, so Schulz.

Staat darf sich nicht auf Leistungen der Tafeln ausruhen

Besorgt sehen Tafeln, dass immer mehr Menschen ihr Angebot nicht als zusätzliche Entlastung wahrnehmen, sondern als existenzielle Versorgungshilfe nutzen müssen. Diese Entwicklung hat sich durch die Corona-Pandemie verschärft. „Tafeln können und wollen keine Aufgaben des Sozialstaats übernehmen. Deshalb ist klar: Eine Unterstützung der Tafeln mit öffentlichen Mitteln darf nicht bedeuten, dass der Staat sich noch mehr als bisher auf unseren Leistungen ausruht. Vielmehr fordern wir als bürgerschaftlicher Verband eine Anerkennung und notwendige Unterstützung, damit wir mit unserer sozialen und ökologischen Arbeit weiterhin gesellschaftliche Probleme verringern können. Davon unberührt bleibt eine notwendige Neuausrichtung der Sozialpolitik in Deutschland, damit niemand mehr existenziell auf die Angebote der Tafeln angewiesen ist“, sagt Evelin Schulz.

Das Positionspapier der Tafel Deutschland zur Forderung nach einer staatlichen Grundfinanzierung der Tafel-Arbeit finden Sie hier.

Tafel Deutschland e. V.
Lebensmittel retten. Klima schützen. Menschen helfen.

Die über 940 gemeinnützigen Tafeln in Deutschland sammeln einwandfreie überschüssige Lebensmittel von Händlern und Herstellern und verteilen diese regelmäßig an mehr als 1,6 Millionen bedürftige Menschen im ganzen Land. Damit schaffen sie eine Brücke zwischen Verschwendung und Armut. Mit rund 60.000 Ehrenamtlichen, die sich bei den Tafeln engagieren, sind die Tafeln eine der größten sozial-ökologischen Bewegungen in Deutschland. Organisiert sind die Tafeln im Dachverband Tafel Deutschland e. V.


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