Aktuelle Umfrage: Tafeln verzeichnen zahlreiche Neuanmeldungen wegen Corona-Pandemie

17.06.2020

Politik darf arme Menschen in der Krise nicht vergessen

Die Helferinnen und Helfer der Tafeln beobachten nach einer aktuellen Umfrage des Dachverbandes eine neue Armut in Deutschland aufgrund der Corona-Pandemie. Gleichzeitig erreichen die Tafeln derzeit nicht alle Menschen, die sonst regelmäßig Unterstützung suchen. Die Tafeln haben sich angesichts der Corona-Pandemie zwar schnell auf veränderte Bedingungen eingestellt und Ausgabestellen wieder geöffnet, allerdings sind die Angebote aufgrund der Abstandsregeln weiterhin eingeschränkt. Die Organisation rechnet in den kommenden Wochen mit weiter steigenden Kundenzahlen.

Die aktuell 830 geöffneten Tafeln sehen sich mit zwei Entwicklungen konfrontiert: Einerseits kommen von Woche zu Woche mehr Menschen erstmals zu den Tafeln. Sie suchen Unterstützung, weil sie selbstständig sind, in Kurzarbeit sind oder ihren Job oder Nebenjob aufgrund der Corona-Pandemie verloren haben. Andererseits bleiben viele vor allem ältere Menschen, die sonst die Angebote der Tafeln nutzen, weiterhin zuhause.

„Wir haben in den letzten Wochen bei den Tafeln eine neue Form der Not erlebt. Es kommen vermehrt jüngere Menschen, die bis vor kurzem überhaupt nicht auf die Tafeln angewiesen waren und nun vor Erleichterung weinen, weil sie etwas zu essen bekommen und ihren Kühlschrank wieder füllen können. Auch wenn die Bundesregierung bereits schnelle und unbürokratische Hilfen auf den Weg gebracht hat, sind einige Menschen in existenzielle Not geraten“, sagt Jochen Brühl, Vorsitzender der Tafel Deutschland e.V.

Gleichzeitig zeigt sich Brühl besorgt um Menschen, die schon vor der Corona-Pandemie zu den Tafeln kamen. Vor allem ältere Menschen bleiben aus Angst vor Ansteckung zuhause. „Es gelingt uns momentan nicht, alle Menschen zu erreichen, die eigentlich unsere Unterstützung benötigen. Das macht uns große Sorgen, denn wir sehen, dass die Ärmsten besonders hart von der Krise getroffen werden. Familien haben steigende Ausgaben für Lebensmittel, weil sie ihre Kinder vollständig zuhause versorgen. Älteren Menschen fehlt es nicht nur an Lebensmitteln, sondern auch an Kontakten“, so Brühl. Einige Tafeln konnten Lieferdienste für besondere Risikogruppen einrichten. Begegnungen und Gespräche in der Tafel fallen aber weiterhin weg. Brühl warnt die Politik, armutsbetroffene Menschen in der Krise nicht zu vergessen.

Aktuell sind noch 120 der 949 Tafeln bundesweit geschlossen. Gründe sind vor allem beengte Räumlichkeiten sowie fehlende Ehrenamtliche. Ein Großteil der Tafel-Aktiven gehört aufgrund des Alters oder Vorerkrankungen der Risikogruppe an.

Bereits Ende März hatte sich die Organisation in einem offenen Brief an Bundessozialminister Hubertus Heil gewandt und mehr Hilfen für armutsbetroffene Menschen gefordert. Unter anderem setzen sich die Tafeln mit vielen weiteren Verbänden und Organisationen für eine temporäre Erhöhung der Grundsicherungsleistungen um 100 Euro monatlich ein. „Das Milliarden-Konjunkturpaket der Bundesregierung berücksichtigt über den einmaligen Kinderbonus und eine sinkende Mehrwertsteuer zwar auch arme Menschen. Die Hilfen reichen aber nicht aus und kommen zu spät. Armutsbetroffene Familien brauchen den Kinderbonus zwingend zum Leben. Für die Anschaffung von Tablets oder Laptops für Home-Schooling reicht dieses Geld nicht. Ältere Menschen mit sehr niedrigen Renten oder Grundsicherung im Alter profitieren hingegen gar nicht. Hier muss die Bundesregierung nachbessern“, fordert Jochen Brühl. 

 

Tafel Deutschland e. V.
Lebensmittel retten. Klima schützen. Menschen helfen.

Die über 940 gemeinnützigen Tafeln in Deutschland sammeln einwandfreie überschüssige Lebensmittel von Händlern und Herstellern und verteilen diese regelmäßig an mehr als 1,6 Millionen bedürftige Menschen im ganzen Land. Damit schaffen sie eine Brücke zwischen Verschwendung und Armut. Mit rund 60.000 Ehrenamtlichen, die sich bei den Tafeln engagieren, sind die Tafeln eine der größten sozial-ökologischen Bewegungen in Deutschland. Organisiert sind die Tafeln im Dachverband Tafel Deutschland e. V.


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