Neue Bundesregierung muss stärker gegen Kinderarmut vorgehen

02.09.2009

Stellungnahme des Bundesverbandes Deutsche Tafel e.V. zum OECD-Kinderbericht


Deutschland gibt für jedes Kind bis zu dessen 18. Geburtstag mit durchschnittlich rund 101.000 Euro so viel Geld wie wenige andere europäische Länder aus und damit zehn bis zwanzig Prozent mehr als Nachbarstaaten. Etwa 40 Prozent der öffentlichen Mittel gehen direkt an die Eltern. Und doch schützen diese Ausgaben die Minderjährigen kaum vor Armut. Im Gegenteil. Hierzulande lebt jedes sechste Kind in Armut. Zum Vergleich: In Dänemark ist jedes 37. Kind betroffen, im Durchschnitt der OECD-Staaten jedes achte Kind. Das ergab der erste Kinderbericht der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung in Europa (OECD), die gestern in Berlin vorgestellt wurde.


„Es ist ein Skandal, dass es einem der reichsten Länder der Welt nicht gelingt, angemessen für seine Kinder und Jugendlichen zu sorgen. Bei mehr als zwei Millionen armen Kindern vor allem aus Ein-Eltern-Familien kann von sozialer Chancengleichheit hierzulande kaum die Rede sein“, kommentierte der Vorstandsvorsitzende des Bundesverbandes Deutsche Tafel e.V., Gerd Häuser, das Ergebnis der Untersuchung. „Angesichts der vergleichsweise hohen Ausgaben ist es unverständlich, warum diese wichtigen staatlichen Investitionen kaum Wirkung zeigen“, so Häuser.


Er erneuerte daher die Forderung des Bundesverbandes und anderer großer Wohlfahrtsverbände nach einem konzertierten Vorgehen von Bund, Ländern und Gemeinnützigen gegen Kinderarmut:
„Wir brauchen endlich eine flächendeckende Infrastruktur, die Kindern aus einkommensschwachen Familien gesellschaftliche Teilhabe ermöglicht. Ein Industrieland wie Deutschland kann es sich weder moralisch noch wirtschaftlich leisten, einer ganzen Generation von Kindern und Jugendlichen derart die Chancen zu verbauen“, mahnte der Vorstandsvorsitzende. Armut zu vermeiden und deren Folgen zu bekämpfen sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die oberste Priorität für die künftige Bundesregierung haben müsse.


„Die neue Bundesregierung ist aufgerufen endlich einen Armutsbeauftragten zu berufen, der sich als kompetenter Mittler aller Beteiligten für die Belange der von Armut betroffenen und bedrohten Menschen und der sie unterstützenden Organisationen stark macht“, wiederholte Gerd Häuser eine wichtige politische Forderung des Bundesverbandes Deutsche Tafel e.V.


Gerd Häuser warnte angesichts der in der Studie konstatierten prozentual vergleichsweise hohen direkten Zuwendungen an die Eltern davor, den Erziehungsberechtigen die Schuld für die geringe Wirksamkeit der Gelder in die Schuhe zu schieben. „Es bleibt dabei: Die Regelsätze für HartzIV-Empfänger und ihre Kinder reichen hierzulande bei weitem nicht aus. Hier muss schnellstens nachgebessert werden. Und es muss dringend in öffentliche Infrastruktur in Form von Kindertages-stätten, Ganztagsschulen sowie andere Ausbildungs- und Freizeiteinrichtungen investiert werden, in denen alle Kinder ungeachtet ihrer Herkunft gefördert werden“, forderte Häuser. Auch kostenlose Mahlzeiten für alle Heranwachsenden in diesen Einrichtungen müssten endlich flächendeckend ermöglicht werden. Es könne nicht angehen, dass in immer stärkerem Maße die Ehrenamtlichen der rund 850 Tafeln für die Pausenverpflegung bedürftiger Kinder sorgen müssten, weil entsprechende Angebote an den Schulen nicht vorhanden oder aber für bedürftige Eltern kaum bezahlbar seien.

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