Lebensmittelhilfe für Bedürftige: Deutsch-Französisches Treffen der Hilfsorganisationen in der Erkner Tafel

16.09.2011 | Pressemitteilung | Armut

Bundesverband Deutsche Tafel e.V. solidarisiert sich mit karitativen Hilfswerken Frankreichs und fordert die EU zu größeren Anstrengungen im Kampf gegen die Armut in Europa auf.

Überall in Europa sorgen gemeinnützige Organisationen dafür, dass Bedürftige mit Lebensmittelspenden unterstützt werden. Am Freitag, dem 16. September, trafen sich Vertreterinnen und Vertreter von vier namhaften französischen Hilfsorganisationen (Französisches Rotes Kreuz, Französische Volkssolidarität, Europäische Vereinigung der Lebensmittelbanken und «Restaurants des Herzens»), um sich über ihre Arbeit auszutauschen. Bei einem Besuch der Erkner Tafel konnten sie sich ein Bild von den Tafeln in Deutschland machen. Gemeinsam mit dem Bundesverband Deutsche Tafel e.V. tauschten sie sich über ihre jeweiligen Hilfskonzepte sowie die Unterstützung durch die nationalen Regierungen beziehungsweise die Europäische Union aus.

Hintergrund der Begegnung ist das Europäische Lebensmittelprogramm für Bedürftige in der EU. Nach einem u.a. von Deutschland erwirkten Urteil des EU-Gerichtshofes ist eine Kürzung des Etats von aktuell 480 Millionen Euro auf 113 Millionen Euro geplant. Der Rat für Landwirtschaft und Fischerei der EU berät am 20. September in Brüssel, wie die fehlenden Mittel bei den betroffenen Wohlfahrtsorganisationen ausgeglichen werden können. Die Vertreter der französischen karitativen Organisationen befürchten, dass sie im Falle ausbleibender Kompensationen ihre Hilfen zulasten der von Armut Betroffenen stark einschränken müssen.

Bisher konnten das Französische Rote Kreuz, die Französische Volkssolidarität, die Europäische Vereinigung der Lebensmittelbanken und die «Restaurants des Herzens» dank des EU-Nahrungsmittelhilfeprogramm nach eigenen Angaben jährlich ungefähr 4 Millionen Menschen in Frankreich mit mehreren Millionen Mahlzeiten unterstützen.

«Als Europäer kann uns die Armut unserer europäischen Nachbarn nicht egal sein. Gerade die Finanzkrise zeigt doch sehr deutlich, dass wir alle in einem Boot sitzen. Wir fordern deshalb die Regierungen aller europäischen Länder auf, sich stärker als bisher für die Bedürftigen in ihren Ländern einzusetzen. Lebensmittelspenden sind eine wichtige Unterstützung. Sie können aus unserer Sicht jedoch nur eine vorübergehende Hilfe sein. Die Menschen brauchen vor allem Arbeit, Bildung und ein soziales Netz, um sich aus der Armut zu befreien », forderte Gerd Häuser, Vorsitzender des Bundesverbandes Deutsche Tafel e.V. heute in Erkner bei Berlin.


Hintergrundinformation

1986 wurde das Europäische Lebensmittelhilfeprogramm für Bedürftige unter Jacques Delors, dem damaligen Vorsitzenden der Europäischen Kommission, ins Leben gerufen. Dank der Unterstützung zahlreicher karitativer Organisationen in den verschiedenen Ländern ermöglicht das Programm seither Nahrungshilfe für etwa 13 Millionen Europäer, die unter der Armutsgrenze leben. Von 27 Mitgliedsländern der EU nehmen aktuell 19 Mittel aus dem Programm in Anspruch. Bezogen die teilnehmenden Staaten im Rahmen des Hilfsprogramms anfänglich Lebensmittel aus Interventionsbeständen, erhielten sie aufgrund der stark sinkenden Interventionsbestände mit den Jahren ganz überwiegend Geldmittel. Diese setzen die nationalen Hilfsorganisationen ein, um Lebensmittel käuflich zu erwerben.

Das Europäische Lebensmittelhilfeprogramm für Bedürftige beträgt rund 480 Millionen Euro jährlich. Das entspricht etwa 1% des EU-Budgets für die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) bzw. einem Euro pro Europäer. Frankreich erhält aus diesem Programm etwa 72 Millionen Euro. Die Beschaffung und Verteilung der Lebensmittel für etwa 4 Millionen Bedürftige organisieren in Frankreich vier Hilfswerke: Vereinigung der Europäischen Lebensmittelbanken, Französisches Rotes Kreuz, „Restaurants des Herzens“ und französische Volkssolidarität.

Auf Anfrage von 7 Ländern, darunter Deutschland, hat der Europäische Gerichtshof das Nahrungsmittelhilfeprogramm in seiner gegenwärtigen Form verurteilt und die Europäische Kommission verpflichtet, ihr Budget um 75% zu kürzen. Das Programm wird also von 480 auf 113 Millionen Euro reduziert.


Bekommen die Tafeln Finanzhilfen?

Die Bundesrepublik Deutschland bezieht seit Anfang der 1990er Jahre keine Finanzhilfen aus dem Nahrungsmittelprogramm. Der Bundesverband Deutsche Tafel e.V. und seine Mitglieder, die Tafeln, leisten ihre gemeinnützige Arbeit ohne staatliche Gelder. Sie finanzieren sich grundsätzlich über Spenden. Dank der Lebensmittelspenden tausender kleiner und großer Lebensmittelhersteller und -händler können die zumeist ehrenamtlichen 50.000 Tafel-Helferinnen und Tafel-Helfer der 887 Tafeln bundesweit etwa 1,3 Millionen bedürftige Menschen unterstützen.