Fachtagungen zum Tafeltag 2013: Gemeinsam mehr erreichen gegen Armut und Lebensmittelverschwendung

01.10.2013

Bundesweit werden sich am Samstag, 5. Oktober, zahlreiche der mehr als 900 Tafeln am 7. Deutschen Tafeltag beteiligen. Mit vielfältigen Aktionen wollen sie vor allem ein Zeichen setzen gegen Armut und soziale Ausgrenzung. Mit ihrem Aktionstag wenden sich die Tafeln gegen die vermeidbare Verschwendung von Nahrungsmitteln und werben öffentlich für einen verantwortungsvollen Umgang mit Lebensmitteln.

Im Vorfeld des Aktionstages hatte der Bundesverband Deutsche Tafel e.V.  erstmalig zu zwei Fachtagungen mit den Schwerpunkten Armut und Lebensmittelverschwendung nach Berlin eingeladen. An den Veranstaltungen am 26. und 27. September nahmen rund 200 Vertreterinnen und Vertreter aus Wohlfahrt, Politik, Wissenschaft, Wirtschaft sowie den Tafeln teil.
Gemeinsam gegen Armut und Lebensmittelverschwendung: Der Bundesverband dankt allen Teilnehmern seiner Fachtagung "Zusammenkommen, zusammen stehen – Gemeinsam mehr erreichen bei der Bekämpfung von Armut und Lebensmittelverschwendung" herzlich für die inspirierenden Impulse der beiden Tage und die Bereitschaft, gemeinsam neue Wege zu gehen!


Fachtagung Armut

„Wie können Wohlfahrtsverbände und soziale Organisationen gemeinsam mehr erreichen bei der Bekämpfung von Armut und sozialer Ungerechtigkeit?“

Zum ersten Mal tauschten sich führende Vertreter der großen Wohlfahrtsverbände wie dem Paritätischen Gesamtverband (Prof. Rolf Rosenbrock), Diakonie (Oberkirchenrat Johannes Stockmeier), Caritas (Theresia Wunderlich), AWO (Dr. Thomas Beyer)  und DRK (Clemens Graf von Waldburg-Zeil) auf Einladung des Bundesverbandes Deutsche Tafel e.V. gemeinsam über Möglichkeiten und Grenzen ihrer Arbeit in den Bereichen Armutsprävention und Armutsbekämpfung aus.

In den Beiträgen wurde deutlich, welche Größenordnung Armut in Deutschland angenommen hat und wo die Verbände jeweils Schwerpunkte setzen, um Armutsbetroffene zu erreichen oder aber in einem gewissen Maße politischen Einfluss geltend machen können. Durchaus kontrovers wurde darüber verhandelt, welche Rolle von bürgerschaftlichem Engagement getragene Hilfsorganisationen wie die Tafeln bei der Armutslinderung spielen.
Der Präsident der Diakonie Deutschland, Johannes Stockmeier, erklärte beispielsweise "die Tafeln begleiten gesellschaftliche Armut - aber sie überwinden sie nicht".

Jochen Brühl, der Vorsitzende des Bundesverbandes Deutsche Tafel e.V. sagte dazu: „Tafeln haben eine Feuerwehr-Funktion. Sie helfen schnell und unbürokratisch, wenn es längst brennt. Wir sind uns bewusst, dass wir die Ursachen von Armut damit nicht bekämpfen können. Und trotzdem helfen wir. Denn letztlich stehen wir zuallererst in der Pflicht der Menschen, die unsere Hilfe benötigen.“

Sozial Benachteiligte bräuchten beides – unbürokratische Soforthilfe und zugleich starke Fürsprecher für eine bessere Bildungs-, Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik. Er warb auf der Tagung dafür, dass alle sozialen Organisationen und Wohlfahrtsverbände diese Fürsprecher-Funktion sehr energisch gemeinsam wahrnehmen. „Wir müssen den Staat in die Pflicht nehmen: Es ist eindeutig Aufgabe des Staates, im Rahmen der Daseinsvorsorge für ein menschenwürdiges Existenzminimum zu sorgen und dabei allen Menschen soziale Teilhabe zu ermöglichen“, forderte Jochen Brühl mit Nachdruck.


Fachtagung Lebensmittelverschwendung
„Gemeinsam mehr erreichen bei der nachhaltigen Reduzierung von Lebensmittelverschwendung"

Seit 20 Jahren engagieren sich die Tafeln gegen Lebensmittelverschwendung. Damals kaum wahrgenommen, ist der Umgang mit Lebensmitteln heute ein Thema, das in Politik und Öffentlichkeit breit verhandelt wird. „Als 1993 die erste Tafel in Berlin gegründet wurde, war bei meisten Händlern oder Herstellern das Bewusstsein dafür, was sie selbst dafür tun können, um überschüssigen Lebensmittel vor der Vernichtung zu bewahren, kaum ausgeprägt. Das ist heute anders. Fast alle großen Handelsketten und unzählige selbständige Kaufleute spenden Lebensmittel an die Tafeln vor Ort“, beschrieb der Verbandsvorsitzende Jochen Brühl die Entwicklung. „Über dieses Vertrauen freuen wir uns sehr, denn ohne die Spenden der Hersteller und Händler wäre die gemeinnützige Arbeit Tafeln nicht möglich“.
Doch die Kooperation der Händler mit den Tafeln ist nur ein Baustein, wenn es um die Vermeidung von Lebensmittelüberschüssen geht.
Bei der Fachtagung „Gemeinsam gegen Lebensmittelverschwendung diskutierten Vertreter aus Politik, der Ernährungsbranche, Handel, Wissenschaft und Tafeln gemeinsam sie die Frage, wie Lebensmittelüberschüsse entstehen und wie die einzelnen Akteure in ihrem jeweiligen Wirkungsfeld zur nachhaltigen Reduzierung von Lebensmittelüberschüssen beitragen können.
Zunächst lieferten die ehemalige Verbraucherschutzministerin Renate Künast und der Sternekoch Matthias Buchholz Impulse für den Einstieg in das Thema.
„Wir müssen uns fragen, warum uns Lebensmittel so wenig wert sind, dass wir sie tonnenweise wegwerfen“, sagte Renate Künast zum Auftakt der Fachtagung. 

Die Grünen-Politikerin plädierte dafür, „Schönheitsideale“ zum Beispiel bei Obst und Gemüse zu hinterfragen und überdies die Verbraucher stärker darüber zu informieren, wo Lebensmittel angebaut bzw. wie sie hergestellt werden  und welche Rolle sie für die menschliche Gesundheit spielen.

Das Thema Aufklärung und Ernährungsbildung wurde auch in der Podiumsdiskussion immer wieder angesprochen. Die Teilnehmer waren sich darüber einig, dass auch mangelndes Wissen für den sorglosen Umgang mit Lebensmitteln verantwortlich ist und die Schulen ein entsprechendes Fach in den Lehrplan mit aufnehmen sollten.

Stefan Genth, Hauptgeschäftsführer des HDE ( Handelsverband Deutschland) verwies in der Debatte darauf, dass kein Lebensmittelhändler freiwillig Lebensmittel wegwerfen würde. Trotzdem komme es zu Überhängen, weil sich das Kundenverhalten nicht vollständig vorhersehen lasse.

Hans-Jürgen Matern,  Leiter  Nachhaltigkeit der METRO Group erläuterte den Anwesenden, wie sein Unternehmen durch eine ganze Reihe von Maßnahmen in der Lieferkette versuche, Lebensmittelverluste zwischen Acker und Teller zu vermeiden, zum Beispiel in dem es Lieferanten in den Erzeugerländern zu Fragen von Lagerung und Transport schule. Ware, die in den Märkten trotz aller Planung nicht rechtzeitig verkauft werden könne, spende das Unternehmen europaweit in mehr als 20 Ländern an Tafeln und ähnliche Organisationen.

Christoph Minhoff, Hauptgeschäftsführer des BVE (Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie), machte in seinem Beitrag deutlich, dass die Hersteller mit ihren Produktinnovationen versuchten, auf die sich ändernden Wünsche der Verbraucher eingehen. Die Produktvielfalt in Deutschland sei ein Zeichen dieser Innovationstätigkeit. Letztlich entscheide aber der Kunde im Geschäft, ob und in welcher Menge ein Produkt gekauft wird.

Jochen Brühl machte in seinem Schlusswort deutlich, dass sich die Tafeln weiter für die Wertschätzung von Lebensmitteln einsetzen werden. Auch im Dialog mit den Spendern. Schließlich gehe es darum, einwandfreie Lebensmittel an Menschen weiter zureichen, die das selbe Recht auf eine gute Ernaährung haben, wie alle anderen Verbraucher auch.


Festliche Abendveranstaltung: Dank an Freunde und Förderer der Tafeln


Der Bundesverband dankte in festlichem Rahmen bei einer Abendveranstaltung allen, die seit nunmehr 20 Jahren die gemeinnützige Arbeit der Tafeln möglich machen. Neben den rund 60.000 Ehrenamtlichen gehören zahlreiche Unternehmen zu den langjährigen und neu gewonnenen Unterstützern. Mit Lebensmittelspenden, Geldspenden und vielen unterschiedlichen Formen des Engagements machen tausende kleine und große Unternehmen die Arbeit der Ehrenamtlichen in den 914 Tafeln jeden Tag wieder möglich. Stellvertretend für alle diese Spender überreichte der Bundesverband als Zeichen seiner Wertschätzung einigen Förderern den „Tafel-Teller“.


Eine bebilderte "Nachlese" des Tafel-Tages 2013 können Sie sich hier herunterladen >>

 

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